Miet- und Pachtverhältnisse
im Lichte der Coronakrise
Wir haben die Situation der derzeitigen Rechtslage beleuchtet
und im Folgenden für Sie zusammengefasst:
Aus aktuellem Anlass:
Baur & Tappeiner Rechtsberatung
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Die derzeitige Rechtslage in Bezug auf Miet- und Pachtverhältnisse
während der Corona-Krise
Unmittelbar nach Bekanntwerden der staatlichen Dringlichkeitsverordnungen Anfang/Mitte März dieses Jahres und den damit einhergehenden Einschränkungen im Wirtschaftssektor wurden seitens zahlreicher Handels- und Gewerbetreibender die ersten Stimmen laut, welche einen sofortigen und vollständigen Mietnachlass forderten. Berechtigterweise befürchten die Unternehmer einschneidende Gewinneinbußen, welche es ihnen unmöglich machen, den vertraglichen Verpflichtungen aus dem Miet- und/oder Pachtverhältnis ordnungs- und fristgerecht nachzukommen. Auf der anderen Seite meldeten sich alsbald auch die Betriebs- und Liegenschaftseigentümer zu Wort, welche sich hinsichtlich einer fristgerechten Bezahlung des vereinbarten Miet- und Pachtschillings besorgt zeigten. Es gilt daher einen Interessenskonflikt zwischen den Parteien eines Vertrages mit wechselseitigen Verpflichtungen zu lösen, deren Ursache der Erlass einer gesetzlichen Bestimmung bzw. die Durchführung einer behördlichen Verordnung darstellt.
Unbestritten ist der Umstand, wonach es sich bei der nach wie vor anhaltenden Covid19- Pandemie um ein außergewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis handelt, welches die Verhängung der eingangs erwähnten, einschränkenden Maßnahmen seitens der Regierung zum Schutze des Gemeinwohls notwendig machte. Wie bereits so oft in der Vergangenheit hat es die italienische Exekutive jedoch verabsäumt den sich anbahnenden und unvermeidbaren Interessenskonflikt zwischen Mieter/Pächter einerseits und Vermieter/Verpächter andererseits, mittels einer unmissverständlichen und klaren gesetzlichen Regelung, im Keim zu ersticken. Stattdessen hat man sich darauf beschränkt unter Art. 91 des Gesetzesdekretes Nr. 18 vom 17.03.2020 eine allgemeine Bestimmung, geltend für jegliche Art von vertraglicher Verbindlichkeit, in den Gesetzestext aufzunehmen, wobei eine allfällige Verantwortlichkeit des Schuldners aufgrund von Nicht- bzw. verspäteter Erfüllung ausgeschlossen wird. Wohlgemerkt umfasst der Begriff “Schuldner“ nicht nur den Mieter/Pächter, welcher zur Bezahlung des Miet-bzw. Pachtzinses verpflichtet ist, sondern auch den Vermieter/Verpächter, welcher seinerseits die Zurverfügungstellung des den vertraglichen Bestimmungen entsprechenden Miet- bzw. Pachtobjektes gewährleisten muss. Kurzum hat man die zeitweilige und gegenseitige Aussetzung der Verpflichtungen aus den Miet- und Pachtverträgen ins Auge gefasst, wobei man angesichts der spezifischen Formulierung nicht davon ausgehen kann, dass es sich um einen Erlass der Leistungen handelt. Daher wäre der Mieter/Pächter nach Aufhebung der verordneten einschränkenden Maßnahmen und Eintritt der Normalität zur Nachzahlung der lediglich gestundeten Beträge an den Vermieter/Verpächter verpflichtet. Nachdem letztere jedoch (für den Zeitraum der Einschränkungen) ihre vertragliche Verpflichtung nicht nachträglich erbringen können, räumt man dem Mieter/Pächter im Gegenzug und sozusagen als Entschädigung für die entgangene Nutzung der Liegenschaft die Möglichkeit der Geltendmachung eines sog. “credito d’imposta“, d.h. eines Steuerguthabens im Ausmaß von 60% des tatsächlich bezahlten Mietzinses ein. In den Genuss der angedachten Entschädigung für die wirtschafts- und handelstreibenden Mieter/Pächter kommen jedoch nicht alle Kategorien. Zudem ist das Steuerguthaben bis dato zeitlich auf den Monat März beschränkt und wird verständlicherweise erst dann schlagend, wenn eine Steuerschuld seitens des Mieters/Pächters am Jahresende auch tatsächlich besteht. Die zeitliche Verzögerung der Verrechnung des “Guthabens“ mit der zu bezahlenden Steuer tut noch das ihrige. Auf diese Art und Weise versucht die Regierung dem Interessenskonflikt zwischen den eingangs erwähnten Gruppen Abhilfe zu schaffen, jedoch auf völlig unzulängliche Art und Weise und schlussendlich auch erfolglos, weshalb die Vertragsparteien – zwecks Regelung ihrer jeweiligen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis – gezwungen sind, auf die bereits vorhandenen und entsprechenden privatrechtlichen Gesetzesbestimmungen abzustellen.
Diesbezüglich muss – in Ermangelung einer spezifischen Regelung im jeweiligen Vertragswerk – sowohl auf die im Zivilgesetzbuch als auch in den Sondergesetzen vorgesehenen allgemeinen und spezifischen Bestimmungen verwiesen werden, welche den hier analysierten Anlassfall betreffen, oder aber zu betreffen scheinen. Eine Analyse der jeweiligen Bestimmungen würde den Rahmen dieser Abhandlung sicherlich sprengen und scheint an dieser Stelle auch nicht angebracht, zumal eine nicht erschöpfende Erörterung nur zu Missverständnissen und Unsicherheit führen würde. Der Vollständigkeit halber sei auf die diesbezüglichen Bestimmungen im Allgemeinen gemäß Art. 1256 ZGB (Endgültige und vorübergehende Unmöglichkeit), im Speziellen betreffend die nachfolgende Unmöglichkeit Art. 1463 (Gänzliche Unmöglichkeit) und Art. 1464 (Teilunmöglichkeit) sowie der Übermäßigen Belastung Art. 1467 (Vertrag mit wechselseitigen Leistungen) verwiesen. Hinzu gesellt sich im Bereich der Pachtverträge die Bestimmung nach Art. 1623 (Nachfolgende Änderung der Vertragsverhältnisse) sowie Art. 27, Absatz 8 des Gesetzes Nr. 392/1978 (Kündigung wegen schwerwiegender Gründe) betreffend die Geschäftsmieten. Zusammenfassend kann man sagen, dass vorgenannte Normen zum einen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen jeweils entweder die Aussetzung der Leistungen, eine allfällige Reduzierung bzw. Anpassung derselben bis hin zur Vertragsaufhebung vorsehen.
Nun liegt es auf der Hand, dass die juristische Bewertung der jeweiligen individuellen Position des Pächters/Mieters oder aber auch des Verpächters/Vermieters die Beanspruchung einer oder mehrerer dieser Bestimmungen gegenüber den restlichen, zwecks Wahrung der eigenen Interessen begründen wird. Dies gilt es dann gegebenenfalls im Konkreten zu bewerten.
Schlussendlich sei noch auf die allgemein gültigen Grundsätze des Schuld- und Vertragsrechtes gemäß Art. 1175 ZGB (Redliches Verhalten) und Art. 1375 ZGB (Durchführung nach Treu und Glauben) verwiesen, deren Anwendbarkeit vor allem in besonderen und außerordentlichen Situationen, wie wir sie eben derzeit vorfinden, an Bedeutung gewinnen.
Es versteht sich von selbst, dass angesichts der außerordentlichen Situation und der von dieser ausgehenden Rechtsunsicherheit eine Lösung des Konfliktes im Einvernehmen zwischen den betroffenen Vertragspartnern wünschenswert wäre. Es lässt sich verständlicherweise jedoch nicht ausschließen, dass sich bereits in absehbarer Zeit die hierfür zuständigen Gerichtsbehörden mit der aufgeworfenen Problematik zu befassen haben werden, wobei es sich dann zeigen wird, in welche Richtung die oben angeführten Gesetzesbestimmungen ausgelegt werden müssen. Selbstverständlich gilt es hierbei auch die bereits seit Jahrzehnten bestehenden Bestimmungen mit den eingangs erwähnten neuen Normen abzustimmen und diese auch im Einklang mit der außergewöhnlichen Situation, welche den Erlass derselben notwendig gemacht hat, zu interpretieren und anzuwenden.
RA Dr. Lorenz Michael Baur und RA Dr. Janis Noel Tappeiner